Manchmal ist es nicht nur ein Ort, der magisch ist, sondern ganz in dem Sinne von "der Weg ist das Ziel", findet man links und rechts am Wegesrand ein Highlight nach dem anderen, dass daraus ein ganzer "Magischer Pfad" wird. Der erste, um den es im Folgenden geht, ist ein abwechslungsreicher Rundweg an den Westhängen der Lahnberge.
Als eigentlich einer meiner ersten magisch empfundenen Orte in Marburg, komme ich jetzt erst dazu, ihn auf meine Website zu bringen. Wie es eben die Zeit erlaubt. Da dieser Ort – bzw. mehr noch ein ganzer „Magischer Pfad“ so umfangreich, vielseitig und besonders ist, wollte ich mir dafür aber auch viel Zeit nehmen.
Wo soll ich nun anfangen? Am besten dort, wo ich auch immer losgehe. Am Ende der Dürerstraße, am Ortenberg beginnt ein kleines Netzwerk an Pfaden. Da die Wege immer wieder in verschiedene Richtungen abzweigen, werde ich dieses Mal meinen Weg in der Karte genau markieren, damit ihr auch keines der zahlreichen Wunder am Wegesrand verpasst. Ein Teil führt noch auf dem vom ehem. Marburger Verschönerungsverein ausgewiesenen „A5“ entlang der Hänge des gleichnamigen Ortenbergs und des Klambergs in großläufigen Serpentinen.
Unterwegs werden wir fast ausnahmslos von dem Element Wasser begleitet, dass entweder entlang des Weges in kleinen Bächen plätschert, uns eine Möglichkeit der Erfrischung und Nachfüllen unserer Trinkflaschen bei Violas Ruh‘ bietet, oder immer wieder unseren Weg kreuzt, wenn es an verschiedenen Stellen von den Lahnbergen hinab ins Tal möchte.
Zurück zu den Bäumen – nach den Birken und einigen Metern später, überrascht uns gleich eine riesige alte Eiche. Warum jene noch nicht als Naturdenkmal ausgezeichnet wurde, ist mir ein Rätsel. Man kann nicht anders, als ehrfurchtsvoll unter ihr stehen zu bleiben und aufzuschauen. Besonders schön macht sich das gedämpfte Sonnenlicht, das zwischen den Blätterkronen der anderen Bäume auf sie trifft und ihren Stamm umspielt. Eine andere sehr hohe Eiche treffen wir später noch. Generell ist dieser Pfad reich an Baumpaaren, alten, knorrigen oder bizarren Baumformationen, an denen seit vielen, vielen Jahren schon einige Spaziergänger vorbeigekommen sind.
Im weiteren Verlauf erstreckt sich zu unserer Linken ein kleines Sumpfgebiet mit Farnen, Schachtelhalmen und Gräsern. Zur Rechten werden sich vor allem die Kleinsten über das „Baum-Wildschwein“ freuen. Aber auch die Wurzel der eindrucksvollen alten Buche kann sich sehen lassen. Hier wächst zusätzlich noch ein Wurmfarn am Eingang der vielen "Höhlen", wie als wolle er zeigen, dass hier ein Eingang ist. Denn Farne, so sagt man symbolisierten den Eingang zur Elfenwelt.
Weiter nun mit Bachläufen zu beiden Seiten, links der Bach verläuft etwas weiter entfernt durch das Sumpfgebiet, aber der Rechte ist immer an unserer Seite. lassen wir linksseitig den "Tümpelgarten" des Marburger Aquarien- und Terrarienvereins hinter uns, während wir rechts praktisch einen dauerhaften Ausblick in die steilen kathedrahlenartigen Baumhallen des Buchenwaldes genießen können. Dazwischen fließt immer wieder ein weiterer kleiner Bach von den Hängen in den bestehenden hinein.
Den Bach zu unserer Linken werden wir nach und nach aus den Augen verlieren, denn er verläuft wohl einige Zeit unterirdisch.
Rechts jedoch plätschert er unentwegt, mal direkt am Weg, mal etwas weiter abseits, verwunschen unter Bäumen, von Lebermoosen, Farnen, Wald-Sauerklee umgeben. Je nach Jahreszeit kommt die ein oder andere Libelle vorbei.
Dort begegnet uns auch ein großer, moosbewachsener Holunderstrauch, der nicht nur zur Blütezeit eindrucksvoll ist. Markant leuchtend erwartet er uns am Wegesrand und lädt ein, unter ihm zu verweilen und den Blick auf seine Füße zu richten. Dort ist nahezu jedes Fleckchen - Boden, Baumstümpfe, Totholz - von Sauerklee und verschiedenen Moosen bedeckt. Dazu das sanfte Plätschern des Baches - himmlisch.
Kurz danach erreichen wir linksseitig die in eine Mauer eingebundene Quelle der "Viola's Ruh'".
Sie wurde 1884 wohl in Gedenken an die Frau eines Jägers angelegt, und spendet seither durstigen Wanderern auf dem Weg zum Spiegelslustturm eine willkommene Erfrischung.
Direkt nach der Quelle nehmen wir den nach rechts abzweigenden Pfad. Dort muss man eigentlich gleich wieder stehen bleiben und verweilen. Denn hier, an diesem vorerst unscheinbar wirkenden Ort, herrscht eine unvorstellbare Artenvielfalt oder besser gesagt eine Fels-Pflanzen-Gesellschaft, die eine der Haupt-Besonderheiten dieses Pfades für mich ausmacht. Auf wenigen Quadratmetern und eigentlich an einem Hang wie jedem anderen auch, wo ein wenig Wasser austritt, finden wir alle paar Zentimeter etwas Neues. Zwischen locker übereinander liegenden Sandsteinen, haben sich unter deren Vorsprüngen im feuchten Nass, Lebermoose angesiedelt, am Fuße, dort wo sich das Wasser sammelt, Torfmoos. Viele weitere Moose überall dazwischen, sowie Rippenfarne, Wald-Frauenfarn und Adlerfarn überragt den ganzen Komplex darüber. Wurzeln halten einen einzelnen Erdklumpen, auf dem wir Becherflechten und Moose finden, in der Luft. Wie eine eigene kleine Welt, hängt dieser Klumpen nun schon mehrere Jahre an Ort und Stelle. Auch Heidelbeeren und Heidekraut wachsen inmitten dieser Urpflanzen-Fülle.
Natürlich verändert sich dieser Ort im Wandel der Jahreszeiten. Im Winter ist er meist nasser und die meisten Farne sind abgestorben,
dafür leuchten die Moose umso mehr. Im Sommer gesellen sich noch Gräser dazu.
Für mich ist es ein ganz besonderer Ort, den ich stundenlang betrachten könnte, denn er ist immer in Bewegung
und immer findet man etwa Neues, was man die Male vorher nicht gesehen hat.
Botanisch: Lycopodiaceae
Wenn wir uns satt gesehen haben, können wir uns für einen kurzen Moment einem Blühstreifen am Wegesrand widmen. Da dieser aber saisonal recht unterschiedlich besiedelt ist, gibt es dazu unten
mehr unter dem Punkt "Saisonale Besonderheiten".
Einige wenige Meter nach dem "Felsschrein" finden wir auf der Hangseite eine weitere Gattung der Urpflanzen - den sagenumwobenen Bärlapp. Hier handelt es sich um den
Keulenbärlapp bzw. Kolben-Bärlapp oder auch "Schlangenmoos", "Johannigürtel", "Blitzmoos", "Wolfsranke", sowie unter vielen weiteren Namen bekannt, was auf seine überaus magische und
mystische Vergangenheit hindeutet.
Einst bildeten die Bärlappe bis zu 40m hohe Bäume. Sie erinnern zwar eher an Moose, sind aber verwandte der Farne. Ihre Sprossen kriechen den Boden entlang und bilden ca. 30cm hohe Ästchen mit nadelförmigen, kleinen Blätter. Im Herbst verteilen sie ihr Sporenpulver, das auch "Hexenmehl", "Feenstaub" oder "Drudenmehl" genannt wird. Eine ausreichende Menge davon erzeugt eine Feuerexplosion, was auch gerne in Theateraufführungen genutzt wurde. Das Pulver wird auch heute noch in Wundpudern verwendet.
Im Mittelalter wurde er oft in der Heilkunde angewendet. Aufgrund seiner Giftigkeit wird von einer Selbstmedikation heute allerdings abgeraten!
Die Entwicklung der Bärlappe nimmt viel Zeit in Anspruch, was dazu führt, dass sie sehr bedroht sind und sie somit schützenswert macht.
Da die Birke symbolhaft für den Beginn des Frühlingsanfang steht, und uns gleich zu Beginn an vielen Stellen kleine Frühblüher wie Scharbockskraut, Wald-Sauerklee, später dann sich öffnende Farne und nebenbei das fröhliche, frühlingshafte Plätschern der Bäche begegnen, passt dieser Weg besonders gut in den Frühling.
Wenn im April die Buchen langsam ihre hellgrünes Laub explodieren lassen, macht der Wald hier rund um den schönen Pfad die größte, offensichtliche Veränderung durch. Dann werden wir von unten und oben hellgrün angeleuchtet.
Strickt nach Jahreszeiten lässt der Pfad sich eigentlich nicht trennen, denn die Natur wandelt sich ständig. Alle zwei Wochen sieht es gleich schon wieder anders aus. Fast täglich verblühen manche Pflanzen, und Neue gehen auf. Doch einige existieren auch eine Zeitlang parallel, was das schöne sommerliche Bild des Wald- und Wegesrandes prägen kann. Im Frühsommer - also im Juni spielt der Fingerhut eine große Rolle, dazu blühen zeitgleich Brombeeren, Kratzbeeren und Heidelbeeren, der Kriechende Günsel, der Schwarze Holunder und viele mehr.
Im Sommer sind das hier besonders Waldgräser, Salbei-Gamander, Johanniskraut, Odermennig, Waldziest, Disteln und Glockenblumen. In schattigen Bereichen umschmeicheln die winzigen, weißen Blütenkerzen des Hexenkrauts den Waldrand. An feuchten Stellen dann noch Wasserdost, Baldrian & Gilbweiderich, sowie eher niedrig wachsende Pflanzen wie die Kleine Braunelle oder das Sumpf-Helmkraut fühlen sich hier ebenso wohl. Hinzu kommen die zahlreichen Schmetterlinge und Libellen, die sich über das Nahrungsangebot und die vielen Bäche und Wasserstellen hier freuen. Abschnittsweise wimmelt es hier nur so vor Libellen und Schmetterlingen. Viele Bereiche der Hänge sind zudem von Wald-Heidelbeeren und Heidekraut besiedelt. Im Juli & August kann man hier also auch noch hervorragend Heidelbeeren ernten.
Auch Libellen halten sich gerne an kleineren, schnell fließenden Gewässern auf.
Wer noch nicht mit eindrücken überladen ist, kann anstatt einen der verschiedenen Wege nach unten zu nehmen, dem Pfad einfach weiter folgen, um zum Spiegelslustturm zu gelangen. er teilt sich dann - weiter um den Berg rum, geradeaus hinunter oder rechts herum runter, scharf abknicken, dieser führt dann ähnlich wie der von dem wir gerade kommen am Berg entlang, nur eine Etage tiefer und kommt ungefähr bei dem Tümpelgarten wieder auf den Anfangsweg. Verlaufen kann man sich hier eigentlich nicht.
Der Spiegelslustturm (Kaiser-Wilhelm-Turm) ist ein 1890 errichteter Aussichtsturm mit traumhaftem Blick über Marburg.
Als Nächstes werde ich euch von einem Pfad
im Martinbachtal bei Biedenkopf berichten...