Die Edel-Kastanie

"Die zahme Kastanie"

Castanea sativa

 

Auch bekannt als Ess-Kastanie oder einfach wie ihre Nussfrüchte als "Marone" bezeichnet. Manchmal wird sie auch "Echte Kastanie" genannt.

Sie fällt im späten Frühjahr durch ihre besondere Blüten ins Auge, wie ein Blütenfeuerwerk schmücken die cremefarbenen Kätzchen einen knappen Monat lang die Bäume und stellen somit gleichzeitig eine reiche Nektarquelle dar. Im Herbst sind die stacheligen Igel-Früchte am Baum oder dann auf dem Boden eine charakteristische Erscheinung.

Dieser Baum kann aber noch viel mehr, als nur hübsch auszusehen. Die "Maronen" sind eine wahre Bereicherung in der Küche und für die Gesundheit, das Holz ist überaus fäulnisresistent und vielseitig einsetzbar. Diese Liste lässt sich noch mit zahlreichen Fakten fortführen. Dementsprechend lang ist die Geschichte der Ess-Kastanie, auf die sie zurückblicken kann. 

Auch wenn es nahe liegt zuerst an unsere verbreitete Rosskastanie zu denken, stellt man doch recht schnell fest, dass hier ein sehr großer Unterschied besteht.

 

Baum des Jahres 2018


Steckbrief

  • Größe & Alter: 10 - 30m hoch, 400 bis zu 1000 Jahre alt
  • Vorkommen & Standort: in Eichenwäldern (milde Winter), in Deutschland hauptsächlich im Südwesten in Weinbaugebieten; auf nährstoff- und kalkarmen Böden
  • Familie: Buchengewächse (Fagaceae)
  • Arten: mehr als 100 verschiedene Arten südlich der Alpen, hier nur die eine
  • Hauptmerkmale: grobe, spitz gezähnte ca. 20cm lange, lanzettliche Blätter; stachelige, igelartige Fruchtbecher
  • Blüten & Früchte: ab einem Alter von 20-30 Jahren bis zu 15cm lange, männliche Blütenkätzchen, an manchen mit je 1-3 weiblichen Miniblüten an deren Basis im Juni 2-3cm große Nussfrüchte "Maronen" im Oktober (ähnlich der Kastanien der Rosskastanie - Vorsicht!)
  • Geschichte: ursprünglich aus Kleinasien, durch die Römer über die Alpen in unsere Region gekommen, wichtiges Nahrungsmittel im Mittelalter, bevor die Kartoffeln kamen, bei der ärmeren Bevölkerung noch bis ins 19. Jahrhundert Grundnahrungsmittel

Magie & Volksglauben

  • die alten Griechen verehrten die Kastanien, dort galten sie als "Eicheln des Zeus"
  • im Christentum ein Symbol für Güte, Keuschheit und Triumph über die Versuchung
  • in China ein Symbol für weise Voraussicht
  • Am Martinstag (11. November) ist auch die Marone noch heute ein Bestandteil als Füllung der Martinsgans

Heilkraft

  • Blätter können von August bis Oktober geerntet und getrocknet werden; sie enthalten Gerbstoffe, Flavonoide, Triterpene und Vitamin C und werden in der Volksmedizin als Tee bei Bronchitis, Asthma, Keuchhusten und anderen Beschwerden der Atemwege eingesetzt. Zusammen mit den Fruchtschalen als Auszug dem Badewasser zugesetzt, sollen sie gegen Gicht helfen.
  • die Äbtissin Hildegard von Bingen empfahl Maronenmus bei Übersäuerung und Magenschleimhautentzündung; die durchblutungsfördernden Eigenschaften sollen auch bei Kopfschmerzen helfen. Sie soll Gehirn, Milz und Herz stärken und außerdem die Leber reinigen.
  • Inhaltsstoffe der Maronen: Mineralstoffe, Spurenelemente, B-Vitamine, Stärke (ca. 50%), Zucker (16%), Eiweiß (10%), Kalium, glutenfrei

Verwendung 

  • Gekochte Maronen als aromatisch süß schmeckender Nachtisch oder Zwischenmahlzeit, besonders in der gemütlichen Herbst- und Winterzeit - Geröstete "Heiße Maroni" werden heute fast überall auf dem Weihnachtsmarkt angeboten
  • die stärkehaltigen Nussfrüchte (50%) lassen sich zu Kastanienmehl verarbeiten
  • als Füllung für Geflügelbraten, Wildbraten, Maronencremesuppe, als Püree, als Beilage, als Dessert
    (es gibt viele internationale Rezepte aus der Schweiz und Italien)
  • Die überaus nektarreichen Blüten führen zudem zu einem leckeren Honig
  • Kastanienbier wird beispielsweise in Italien produziert
  • Das Holz ist aufgrund des hohen Tannin-Gehalts sehr fäulnisbeständig und somit gut im Freiland oder für Weinfässer geeignet, früher verwendete man es auch zum Heizen und für Holzkohle.
  • Im Mittelalter gewann man das Tannin aus der Rinde zum Leder-Gerben
  • Und seien wir mal ehrlich, so viele Objekte gibt es nicht als Emoji - aber eine Marone!!🌰

Blüten

Es befinden sich sowohl die weiblichen als auch die männlichen Blüten an einem Baum. Die männlichen Blüten sind bis zu 15cm lange, stramme Kätzchen in gelb-weiß. Etwa 10 Tage später erscheinen 2-3 winzig kleine weibliche Blüten an der Basis von manchen Kätzchen. 
Interessant ist hier, dass die nektarreichen Blüten sowohl von Insekten (hauptsächlich Bienen) als auch vom Wind bestäubt werden. Die klebrigen Pollen werden erst von Insekten verbreitet und nach dessen Austrocknung verweht. Zusätzlich müssen es für die Fortpflanzung zwei Bäume sein. 

Insgesamt geht die Blütezeit ungefähr 30 Tage lang, in der sie einen bleibenden Eindruck hinterlassen. S. unten die Edel-Kastanie am Pilgrimstein.

Blätter & Früchte

Ab Ende April öffnen sich die Blattknospen und bringen die dunkelgrün, glänzenden, scharf gezähnten Blätter zum Vorschein. Sie sind bis zu 25cm lang und werden dank ihres hohen Gerbstoffgehalts auch in der Volksheilkunde eingesetzt.

Die Blätter gehören zu den Nahrungspflanzen der Jägerhütchen-Raupen. 
Die 2-3cm große Nussfrüchte "Maronen" reifen im Oktober und sitzen in stacheligen, igelartigen Fruchtbechern - auch Cupula genannt. 4 Klappen geben dann 1-3 Nüsschen frei. Für die Verbreitung sorgen wie bei den Eichen, Haseln und Buchen auch die vergessenen Nüsse vom letzten Winter von Eichelhähern, Eichhörnchen, Krähen, Mäusen und Siebenschläfern.

Die Früchte sind auch Nahrungspflanze der Raupen des Apfelwicklers.

Rinde & Holz

Starke Wurzeln geben den Bäumen Halt. Jung ist die Rinde noch relativ glatt, später weist sie netzartige Risse auf, die sich mit dem Alter immer mehr um den Stamm drehen.

Das Holz ist ebenso sehr beständig und biegsam. Durch den hohen Tannin-Gehalt ist es sehr fäulnisresistent und somit für den Außeneinsatz und auch für Weinfässer gut geeignet.
Auch im Schiffsbau, für Eisenbahnschwellen und Kinderspielplätze sowie in Bergregionen für Lawinenmasten kommt es vor.

Die sehr schöne Zeichnung des Holzes wird aber auch gerne im Innenbereich für den Küchen- und Möbelbau verwendet.



Unterscheidung Edel- und Rosskastanie

Früher unterschied man sie in  "wild" und "zahm", bitter und nur für Tiere geeignet bzw. wohlschmecken und edel.

Die Rosskastanie kam erst im 16. Jahrhundert nach Deutschland und ist somit ein Neophyt. In der Regel kommt sie hier nicht vor, sondern immer in der Umgebung von Menschen als kultivierter Baum.
Die Ess-Kastanie ist ein Archäophyt, sie ist somit auch nicht heimisch, aber eine ganze Ecke früher zu uns gelangt und hat sich inzwischen an vielen Orten recht gut etabliert.

Eine Unterscheidung der beiden optisch auf den ersten Blick ähnlichen Gewächse ist insofern wichtig und interessant, da beide noch nicht einmal miteinander verwandt sind. Die Rosskastanie Aesculus hippocastanum zählt zu den Seifenbaumgewächse und ihre Kastanien sind eigentlich Samenkerne und nicht essbar. Wohingegen die Ess-Kastanie sehr schmackhafte Nussfrüchte trägt. Diese sind oben fein behaart und spitz zulaufend. 
Die Blätter der Rosskastanien sind 5-7-zählig, bei der Ess-Kastanie stehen sie allein. Letztere hat Blütenkätzchen, die Rosskastanie große, aufrechte Blütenrispen.



Die Ess-Kastanien in Marburg

In Marburg finden wir eine sehr große Esskastanie am Pilgrimstein an der Ecke des Instituts für Schulpädagogik nahe der neuen Unibibliothek. 
Oben am Rande des Schloßparks bei dem alten Gutshof am Bunten Kitzel stehen einige große Exemplare. Eine etwas jüngere finden wir am Lutherischen Kirchhof in der Oberstadt. Viele weitere kleine Bäume auf dem Parkplatz des Georg-Gaßman-Stadions und einige mittelgroße Esskastanien habe ich schon hin und wieder auf dem Wollenberg im Lahntal gefunden.

Und kürzlich wurde direkt an der Elisabethkirche eine ca. 10m große Edel-Kastanie gepflanzt, um einen kranken Silber-Ahorn zu ersetzen.
Zudem kann man sie auf den hiesigen Baumpfaden finden. Einer befindet sich auf den Lahnbergen nahe Moischt, einer am Erlensee bei Kirchhain und ein weiterer Bei Niederwalgern.

 



Maronen weltweit

In Tessin und in den Cevennen wurden Kastanienhaine in sogenannten "Selven" bewirtschaftet, die gleichzeitig als Weideland für Ziegen und Schafe dienten.

Einst gab es solche bewirtschafteten Hänge auch in großer Zahl in Süd-Deutschland, entlang des Rheins in Weinbaugebieten, aber auch im Taunus bei Frankfurt. Heute wird besonders im Südwesten Deutschlands diese Vorgehensweise wieder intensiv getestet.

Auf Sizilien steht eine etwa 2000 Jahre alte Ess-Kastanie, die sich durch Nebentriebe immer wieder erneuert hat. Der dickste Stamm soll etwa 22 Meter Umfang haben. Der Baum wird "Kastanie der 100 Pferde" genannt und soll der Sage nach der Königin von Aragon im Mittelalter samt ihrer 100 Reiter Schutz vor einem Gewitter geboten haben.

 

Kastanienmärkte & Feste

In Lovran, ein kroatischer Luftkurort an der Adria ist die Marone ein regelrechtes Symbol. Es findet sogar jährlich im Oktober ein Maronenfest- das "Marunada" statt. Es zählt zu den Top 10 der herbstlichen Food-Festivals in Europa. Das dortige Učka-Gebirge mit  mildem Berg- und Meeresklima lässt Edel-Kastanien sehr gut gedeihen.

Fazit

Ein strapazierfähiger Baum, wertvoller Lebensraum und Nahrungspflanze für Tiere, Bereicherung für unsere Gesundheit und den Speiseplan,  dazu ein hochwertiges, beständiges Holz, der dazu mit hohen Temperaturen gut zurechtkommt. Dies gilt zumindest für wintermilde Standorte mit sauren, kalkarmen Böden.


Rezepte

Geröstete Maronen aus dem Ofen

Die einfachste und schnellste Methode, die für mich zu einem gemütlichen Herbstabend gehört, ist das Rösten der Kastanienfrüchte im Ofen.
Die Maronen werden kreuzweise am Bauch eingeschnitten (bitte nicht abrutschen, das Messer sollte scharf genug, aber  nicht zu scharf sein. Gut eignet sich ein Schälmesser (Vogelschnabelform).

Es gibt aber auch spezielle Maroni-Messer, die passen sich exakt an die Form an. Setzt die Maronen dann nebeneinander auf ein mit Backpapier belegtes Blech und ab in den bei 200 Grad Ober- und Unterhitze vorgeheizten Ofen. Nach ca. einer halben Stunde  je nach Ofentyp, sollten sie fertig sein. Man kann auch zusätzlich noch ein ofenfestes Gefäß mit Wasser hinein stellen.
In Schüsselchen füllen  und noch so heiß wie möglich die Schale abpellen und direkt verzehren. So schmecken sie am besten.

Eine absolut tolle Kombi dazu, ist ein heißer Glühwein.


Maronensuppe

Zutaten:

  • 500g frische Maronen
  • 2 Schalotten
  • 3 kleine Stangen vom Stangensellerie mit etwas Selleriegrün
  • 30g Butter
  • 750ml Hühnersuppe
  • 100ml geschlagene Sahne
  • Salz und Pfeffer nach Bedarf

Zubereitung:

Die Maronen am Bauch kreuzweise einschneiden und im vorgeheizten Backofen bei 200 Grad Ober- und Unterhitze ca. 1/2 Stunde rösten, bis die Schale aufplatzt. 

In der Zwischenzeit Schalotten und Selleriestangen schälen und klein würfeln. Von dem Selleriegrün ein wenig zur Deko am Ende aufbewahren.
Die Maronen noch heiß von der Schale befreien.

In einem mittelgroßen Topf die Butter schmelzen, Schalotten- und Selleriewürfel anschwitzen. Die Hühnerbrühe angießen. Jetzt die Maronen dazugeben und bei mittlerer Hitze weich kochen.
Auf Wunsch einige ganz gebliebene Exemplare zur Einlage beiseitestellen.
Die Suppe vom Herd nehmen und pürieren, anschließend durch ein Sieb streichen. Nach Bedarf mit Salz und Pfeffer abschmecken. Jedoch reicht die Würze von Hühnerbrühe und Sellerie bereits aus. Noch einmal kurz aufkochen und durchrühren und auf Teller verteilen. Mit geschlagener Sahne, Selleriegrün und den zur Seite gestellten Maronen anrichten und servieren.

 

Zeitaufwand: ca. 1,5 Stunden

Fazit: sättigende und seelenwärmende Suppe


Die Marone im Mittelalter

 

Für die ärmere Bevölkerung im Mittelalter galten Maronen als wichtiges Nahrungsmittel, sie war mancherorts sogar noch bis ins 19. Jahrhundert eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel. Nach und nach wurde sie dann von der Kartoffel größtenteils abgelöst.

 

Der Botaniker Jacques Daléchamps aus Lyon sagte Mitte des 16. Jahrhunderts:

„Die Kastanie ist das Dessert für die Tafel der Reichen sowie das Fleisch für die Armen.”

 

Hildegard von Bingen: "Nur wenige Speisen sind ganz rein und gut für den Menschen. Dazu gehören Dinkel, Fenchel und die Edelkastanie."

Sie empfahl sie als Suppe, als Creme, als Beilage oder einfach so. Denn sie sei eine "Sehr warme" Speise und auch zur Stärkung schwacher oder kranker Menschen geeignet. Gekochte Maronen sollten gut bei Kopf- und Magenschmerzen sein. Sie empfahl sie aber auch bei Gicht, Milzleiden, Traurigkeit und Leberschmerzen in verschiedenen Darreichungsformen.

 


"An vollen Büschelzweigen, Geliebte, sieh‘ nur hin!

Laß dir die Früchte zeigen, umschalet stachlig grün."
- Goethe -


quellen:

"Was blüht denn da?", Spohn, Golte-Bechtle, Franckh-Kosmos-Verlag, Stuttgart, 60. Auflage, 2021

"Das große Buch der Heilpflanzen", Pahlow, München, 1993

Der Kosmos Baumführer Europa, Margot und Roland Spohn, Franckh-Kosmos-Verlag, Stuttgart, 2022

Hildegard von Bingen - Das Praxisbuch für ein gesundes Leben, H. F. Ullmann, Ullmann Medien GmbH, Rheinbreitbach

www.waldwissen.net

www.baum-des-jahres.de


Kommentare: 10
  • #10

    Magisches Marburg (Montag, 05 August 2024 12:19)

    Hallo Anja,
    als ich es das letzte Mal überprüft habe, war der Markt noch angekündigt. Dann haben sie ihn wohl für dieses Jahr leider wieder abegesagt. Danke für den Hinweis.
    Liebe Grüße

  • #9

    Anja Michel (Sonntag, 04 August 2024 21:55)

    Findet der mittelaltermarkt am 7./8.9. in Marburg dieses Jahr statt?
    Ich habe im Internet widersprüchliche Informationen gefunden.
    Viele Grüße, Anja

  • #8

    Anise (Freitag, 23 Februar 2024 21:52)

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    See you soon


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    Victoria lavinn (Mittwoch, 06 Dezember 2023 18:07)

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  • #6

    Andreas Matusch, Marbach (Montag, 26 Dezember 2022 18:34)

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  • #5

    VIBE (Montag, 28 November 2022 11:39)

    die Bestellung hat super schnell und reibungslos geklappt !

  • #4

    Sina (Dienstag, 08 November 2022 14:38)

    Wow!!!
    Das ist so eine tolle Homepage und lässt Marburg in ganz neuen Farben erstrahlen!
    Ich freue mich schon auf den Schmuck! :-)
    Viele liebe Grüße

  • #3

    Inari (Donnerstag, 08 September 2022 15:42)

    danke für die kurzweil, dabei länger Geblieben als gedacht. !
    Jetzt auch wieder auf dem weg.

  • #2

    Heimdall (Mittwoch, 27 April 2022 21:28)

    danke für den magischen Austausch.

  • #1

    Hekate (Mittwoch, 27 April 2022 12:39)

    Auf der durchreise Rast bei dir gemacht.