Castanea sativa
Auch bekannt als Ess-Kastanie oder einfach wie ihre Nussfrüchte als "Marone" bezeichnet. Manchmal wird sie auch "Echte Kastanie" genannt.
Sie fällt im späten Frühjahr durch ihre besondere Blüten ins Auge, wie ein Blütenfeuerwerk schmücken die cremefarbenen Kätzchen einen knappen Monat lang die Bäume und stellen somit gleichzeitig eine reiche Nektarquelle dar. Im Herbst sind die stacheligen Igel-Früchte am Baum oder dann auf dem Boden eine charakteristische Erscheinung.
Dieser Baum kann aber noch viel mehr, als nur hübsch auszusehen. Die "Maronen" sind eine wahre Bereicherung in der Küche und für die Gesundheit, das Holz ist überaus fäulnisresistent und vielseitig einsetzbar. Diese Liste lässt sich noch mit zahlreichen Fakten fortführen. Dementsprechend lang ist die Geschichte der Ess-Kastanie, auf die sie zurückblicken kann.
Auch wenn es nahe liegt zuerst an unsere verbreitete Rosskastanie zu denken, stellt man doch recht schnell fest, dass hier ein sehr großer Unterschied besteht.
Baum des Jahres 2018
Steckbrief
Magie & Volksglauben
Heilkraft
Verwendung
Es befinden sich sowohl die weiblichen als auch die männlichen Blüten an einem Baum. Die männlichen Blüten sind bis zu 15cm lange, stramme Kätzchen in gelb-weiß. Etwa 10 Tage später erscheinen
2-3 winzig kleine weibliche Blüten an der Basis von manchen Kätzchen.
Interessant ist hier, dass die nektarreichen Blüten sowohl von Insekten (hauptsächlich Bienen) als auch vom Wind bestäubt werden. Die klebrigen Pollen werden erst von Insekten verbreitet und
nach dessen Austrocknung verweht. Zusätzlich müssen es für die Fortpflanzung zwei Bäume sein.
Insgesamt geht die Blütezeit ungefähr 30 Tage lang, in der sie einen bleibenden Eindruck hinterlassen. S. unten die Edel-Kastanie am Pilgrimstein.
Ab Ende April öffnen sich die Blattknospen und bringen die dunkelgrün, glänzenden, scharf gezähnten Blätter zum Vorschein. Sie sind bis zu 25cm lang und werden dank ihres hohen Gerbstoffgehalts auch in der Volksheilkunde eingesetzt.
Die Blätter gehören zu den Nahrungspflanzen der Jägerhütchen-Raupen.
Die 2-3cm große Nussfrüchte "Maronen" reifen im Oktober und sitzen in stacheligen, igelartigen Fruchtbechern - auch Cupula genannt. 4 Klappen geben dann 1-3 Nüsschen frei. Für die
Verbreitung sorgen wie bei den Eichen, Haseln und Buchen auch die vergessenen Nüsse vom letzten Winter von Eichelhähern, Eichhörnchen, Krähen, Mäusen und Siebenschläfern.
Die Früchte sind auch Nahrungspflanze der Raupen des Apfelwicklers.
Starke Wurzeln geben den Bäumen Halt. Jung ist die Rinde noch relativ glatt, später weist sie netzartige Risse auf, die sich mit dem Alter immer mehr um den Stamm drehen.
Das Holz ist ebenso sehr beständig und biegsam. Durch den hohen Tannin-Gehalt ist es sehr fäulnisresistent und somit für den Außeneinsatz und auch für Weinfässer gut geeignet.
Auch im Schiffsbau, für Eisenbahnschwellen und Kinderspielplätze sowie in Bergregionen für Lawinenmasten kommt es vor.
Die sehr schöne Zeichnung des Holzes wird aber auch gerne im Innenbereich für den Küchen- und Möbelbau verwendet.
Früher unterschied man sie in "wild" und "zahm", bitter und nur für Tiere geeignet bzw. wohlschmecken und edel.
Die Rosskastanie kam erst im 16. Jahrhundert nach Deutschland und ist somit ein Neophyt. In der Regel kommt sie hier nicht vor, sondern immer in der Umgebung von Menschen als kultivierter
Baum.
Die Ess-Kastanie ist ein Archäophyt, sie ist somit auch nicht heimisch, aber eine ganze Ecke früher zu uns gelangt und hat sich inzwischen an vielen Orten recht gut etabliert.
Eine Unterscheidung der beiden optisch auf den ersten Blick ähnlichen Gewächse ist insofern wichtig und interessant, da beide noch nicht einmal miteinander verwandt sind. Die
Rosskastanie Aesculus hippocastanum zählt zu den Seifenbaumgewächse und ihre Kastanien sind eigentlich Samenkerne und nicht essbar. Wohingegen die Ess-Kastanie sehr
schmackhafte Nussfrüchte trägt. Diese sind oben fein behaart und spitz zulaufend.
Die Blätter der Rosskastanien sind 5-7-zählig, bei der Ess-Kastanie stehen sie allein. Letztere hat Blütenkätzchen, die Rosskastanie große, aufrechte Blütenrispen.
In Marburg finden wir eine sehr große Esskastanie am Pilgrimstein an der Ecke des Instituts für Schulpädagogik nahe der neuen Unibibliothek.
Oben am Rande des Schloßparks bei dem alten Gutshof am Bunten Kitzel stehen einige große Exemplare. Eine etwas jüngere finden wir am Lutherischen Kirchhof in der Oberstadt. Viele weitere
kleine Bäume auf dem Parkplatz des Georg-Gaßman-Stadions und einige mittelgroße Esskastanien habe ich schon hin und wieder auf dem Wollenberg im Lahntal gefunden.
Und kürzlich wurde direkt an der Elisabethkirche eine ca. 10m große Edel-Kastanie gepflanzt, um einen kranken Silber-Ahorn zu ersetzen.
Zudem kann man sie auf den hiesigen Baumpfaden finden. Einer befindet sich auf den Lahnbergen nahe Moischt, einer am Erlensee bei Kirchhain und ein weiterer Bei Niederwalgern.
In Tessin und in den Cevennen wurden Kastanienhaine in sogenannten "Selven" bewirtschaftet, die gleichzeitig als Weideland für Ziegen und Schafe dienten.
Einst gab es solche bewirtschafteten Hänge auch in großer Zahl in Süd-Deutschland, entlang des Rheins in Weinbaugebieten, aber auch im Taunus bei Frankfurt. Heute wird besonders im Südwesten Deutschlands diese Vorgehensweise wieder intensiv getestet.
Auf Sizilien steht eine etwa 2000 Jahre alte Ess-Kastanie, die sich durch Nebentriebe immer wieder erneuert hat. Der dickste Stamm soll etwa 22 Meter Umfang haben. Der Baum wird "Kastanie der 100 Pferde" genannt und soll der Sage nach der Königin von Aragon im Mittelalter samt ihrer 100 Reiter Schutz vor einem Gewitter geboten haben.
Kastanienmärkte & Feste
In Lovran, ein kroatischer Luftkurort an der Adria ist die Marone ein regelrechtes Symbol. Es findet sogar jährlich im Oktober ein Maronenfest- das "Marunada" statt. Es zählt zu den Top 10 der herbstlichen Food-Festivals in Europa. Das dortige Učka-Gebirge mit mildem Berg- und Meeresklima lässt Edel-Kastanien sehr gut gedeihen.
Ein strapazierfähiger Baum, wertvoller Lebensraum und Nahrungspflanze für Tiere, Bereicherung für unsere Gesundheit und den Speiseplan, dazu ein hochwertiges, beständiges Holz, der dazu mit hohen Temperaturen gut zurechtkommt. Dies gilt zumindest für wintermilde Standorte mit sauren, kalkarmen Böden.
Die einfachste und schnellste Methode, die für mich zu einem gemütlichen Herbstabend gehört, ist das Rösten der Kastanienfrüchte im Ofen.
Die Maronen werden kreuzweise am Bauch eingeschnitten (bitte nicht abrutschen, das Messer sollte scharf genug, aber nicht zu scharf sein. Gut eignet sich ein Schälmesser
(Vogelschnabelform).
Es gibt aber auch spezielle Maroni-Messer, die passen sich exakt an die Form an. Setzt die Maronen dann nebeneinander auf ein mit Backpapier belegtes Blech und ab in den bei 200 Grad
Ober- und Unterhitze vorgeheizten Ofen. Nach ca. einer halben Stunde je nach Ofentyp, sollten sie fertig sein. Man kann auch zusätzlich noch ein ofenfestes Gefäß mit Wasser hinein
stellen.
In Schüsselchen füllen und noch so heiß wie möglich die Schale abpellen und direkt verzehren. So schmecken sie am besten.
Eine absolut tolle Kombi dazu, ist ein heißer Glühwein.
Zutaten:
Zubereitung:
Die Maronen am Bauch kreuzweise einschneiden und im vorgeheizten Backofen bei 200 Grad Ober- und Unterhitze ca. 1/2 Stunde rösten, bis die Schale aufplatzt.
In der Zwischenzeit Schalotten und Selleriestangen schälen und klein würfeln. Von dem Selleriegrün ein wenig zur Deko am Ende aufbewahren.
Die Maronen noch heiß von der Schale befreien.
In einem mittelgroßen Topf die Butter schmelzen, Schalotten- und Selleriewürfel anschwitzen. Die Hühnerbrühe angießen. Jetzt die Maronen dazugeben und bei mittlerer Hitze weich
kochen.
Auf Wunsch einige ganz gebliebene Exemplare zur Einlage beiseitestellen.
Die Suppe vom Herd nehmen und pürieren, anschließend durch ein Sieb streichen. Nach Bedarf mit Salz und Pfeffer abschmecken. Jedoch reicht die Würze von Hühnerbrühe und Sellerie bereits aus. Noch
einmal kurz aufkochen und durchrühren und auf Teller verteilen. Mit geschlagener Sahne, Selleriegrün und den zur Seite gestellten Maronen anrichten und servieren.
Zeitaufwand: ca. 1,5 Stunden
Fazit: sättigende und seelenwärmende Suppe
Für die ärmere Bevölkerung im Mittelalter galten Maronen als wichtiges Nahrungsmittel, sie war mancherorts sogar noch bis ins 19. Jahrhundert eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel. Nach und nach wurde sie dann von der Kartoffel größtenteils abgelöst.
Der Botaniker Jacques Daléchamps aus Lyon sagte Mitte des 16. Jahrhunderts:
„Die Kastanie ist das Dessert für die Tafel der Reichen sowie das Fleisch für die Armen.”
Hildegard von Bingen: "Nur wenige Speisen sind ganz rein und gut für den Menschen. Dazu gehören Dinkel, Fenchel und die Edelkastanie."
Sie empfahl sie als Suppe, als Creme, als Beilage oder einfach so. Denn sie sei eine "Sehr warme" Speise und auch zur Stärkung schwacher oder kranker Menschen geeignet. Gekochte Maronen sollten gut bei Kopf- und Magenschmerzen sein. Sie empfahl sie aber auch bei Gicht, Milzleiden, Traurigkeit und Leberschmerzen in verschiedenen Darreichungsformen.
"An vollen Büschelzweigen, Geliebte, sieh‘ nur hin!
Laß dir die Früchte zeigen, umschalet stachlig grün."
- Goethe -
quellen:
"Was blüht denn da?", Spohn, Golte-Bechtle, Franckh-Kosmos-Verlag, Stuttgart, 60. Auflage, 2021
"Das große Buch der Heilpflanzen", Pahlow, München, 1993
Der Kosmos Baumführer Europa, Margot und Roland Spohn, Franckh-Kosmos-Verlag, Stuttgart, 2022
Hildegard von Bingen - Das Praxisbuch für ein gesundes Leben, H. F. Ullmann, Ullmann Medien GmbH, Rheinbreitbach