Es ist immer wieder faszinierend, an wie vielen Wildpflanzen wir tagtäglich vorbeilaufen, über die wir uns ärgern, weil sie Wege zuwuchern, sich im eigenen Beet
ausbreiten, an uns hängen bleiben etc. und dabei wollen sie uns damit womöglich einfach ihre Heilkraft anpreisen. Denn besonders die Gattung der Labkräuter ist bis auf den Waldmeister eher
unbekannt und unterschätzt. Der Waldmeister, der das Labkraut nur im lateinischen Namen trägt, ist ein eigenes kleines Wunder und bekommt eine extra Seite.
Gemeinsam haben alle drei (vier) ihre in Quirlen angeordneten Blätter. Diese unterscheiden sich in Klebrigkeit
und minimal in der Breite.
Alle haben heilkräftige, kulinarische und färbende Funktionen, die besonders im Mittelalter sehr bekannt waren.
Wusstet ihr, dass der Waldmeister auch zu den Labkräutern zählt?
Seitenübersicht
"Liebfrauenbettstroh"
Es ist das wirksamste und vielseitigste der drei hier beschriebenen Labkräuter.
Von heilsamem Tee, über Färbeeigenschaften bis hin zur Käseherstellung erstreckt sich sein Einsatzbereich.
Im Gegensatz zu den anderen beiden Artgenossen hat es an kantigen Stielen die schmalsten Blättchen, die in Quirlen von je 8-12 Stück angeordnet, nur ca. 1mm breit sind. Von Juni
bis Oktober verströmen die goldgelben, winzigen Blüten in rispenförmigen Blütenständen ihren honigsüßen Duft. Zieht ein nahendes Gewitter auf, wird dieser Duft umso
stärker.
In der Blütezeit verrät uns meist das helle Leuchten seinen Standort, ansonsten finden wir es auf trockenen Hängen und Magerrasen, sowie hier und da am Wegesrand. Bienen werden von den vielen kleinen Blüten magisch angezogen.
Für die Raupen des Kleinen Weinschwärmers und des Taubenschwänzchens sind sie eine wertvolle Futterpflanze.
"Zaunkleber"
Den meisten ist es wahrscheinlich noch aus Kindertagen bekannt, wo man sich gegenseitig neckisch ein Stück an den Rücken geklebt hat.
Es hat ähnliche Eigenschaften und Wirksamkeiten wie das echte Labkraut und ist seit der Steinzeit als Kulturfolger im Ackerbau bekannt und dort aufgrund seiner Ausbreitung nicht besonders
beliebt. Für unsere heimischen Insektenarten ist es aber wiederum eine wertvolle Futterpflanze.
An bis zu 150 cm hohen "klettigen" Trieben sitzen die 6-9 quirlförmig angeordneten Blättchen. Von Mai bis Oktober erscheinen kaum sichtbare weißliche Blüten.
Durch die sich danach entwickelnden Kugelfrüchte, die ebenso mit Widerhaken ausgestattet sind, vermehrt sich die Pflanze, denn diese bleiben in jedem Tierfell hängen.
Wir finden es fast überall auf lehm- und stickstoffhaltigen Böden, An Wald-, Hecken- und Wegrändern, bevorzugt an halbschattigen und nicht zu trockenen Standorten.
Das Wiesen-Labkraut war auch im Mittelalter im Vergleich zu den beiden anderen Labkräutern eher unbekannt. Jedoch hat es dennoch ähnliche Eigenschaften, die besonders in den letzten Jahren
breiter erforscht wurden.
Optisch ähnelt es von weitem eher dem echten Labkraut, nur eben mit weißer Blütenpracht. Aus der Nähe betrachtet ist es eher ein Mittelding zwischen den beiden Arten. Von der Höhe her wird es
meist größer als das echte Labkraut, jedoch nicht so groß wie das Kletten-Labkraut. Der Stängel ist glatt und kahl, die Blätter sind nicht so schmal wie beim echten Labkraut und nicht so lang wie
beim Kletten-Labkraut. Die Blätter sind wieder in Quirlen - hier von je 4-8 Blättern - angeordnet.
Die Blüten sind strahlend weiß, zwar winzig, aber aufgrund ihrer Vielzahl, als schöne weiße Wolken in den Wiesen erkennbar.
Wie der Name schon sagt, kommt es am häufigsten auf Wiesen vor, es ist aber auch oft am Wegesrand zu finden.
Eigenschaften | Echtes Labkraut - Galium verum | Kletten-Labkraut - Galium aparine | Wiesen-Labkraut - Galium mollugo |
Volksnamen |
Liebfrauenbettstroh, Butterstiel, Gelbes Waldstroh, Lady's Bedstraw, Frigg's grass |
Klebkraut, Zaunkleber, Zaunkraut, Sticky Willy | Grasstern, Weißes Waldstroh |
Größe | 20-80 cm | 30-150 cm | 30-100 cm |
Blüten | Goldgelb, winzig, sehr stark duftend | Schwach weiß | Strahlend weiß, stark duftend |
Blütezeit | Juni - Oktober | Mai - Oktober | Mai - Oktober |
Blätter |
Quirle an kantigen Stängeln, 1mm breit, Unterseite behaart |
Quirle an Stängeln mit Widerhaken,
6-9 Blätter, |
Quirle an kahlen, glatten Stängeln, jeweils 4-8 Blätter |
Früchte | Kugelig mit Widerhaken |
Kugelig mit Widerhaken |
Kugelig mit Widerhaken |
Verwendung | Gesunde Küche, Pflanzenheilkunde, Färben, Käseherstellung | Gesunde Küche, Pflanzenheilkunde, Färben, Käseherstellung | Gesunde Küche, Pflanzenheilkunde, Färben, Käseherstellung |
Standort | Magerrasen, trockene Hänge |
An Wald, Hecken- und Wegrändern, halbschattig |
Auf Wiesen und an Wegrändern |
Das gesamte Kraut wird zwischen Juni und September gesammelt.
Man verwendet es entweder frisch oder getrocknet.
In Bündeln zusammengebunden, hängt man es an einem luftigen, schattigen Ort zum Trocknen auf. Getrocknet entwickelt es einen betörenden Duft nach frisch gemähtem Heu.
Um die Wurzeln auszugraben benötigt ihr entweder einen Spaten oder einen Wurzelstecher. Manche gehen leichter raus, andere schwerer. Meist sind die Wurzeln jedoch sehr kurz, sodass man sehr viele benötigt, um daraus Färben zu können.
Beachtet ansonsten meine allgemein zusammengestellten Sammeltipps.
Das gesamtes oberirdisches Kraut wird während der Blütezeit von Mai bis Oktober gesammelt. Getrocknet wird es leider sehr schnell schwarz, daher ist hier die frische Anwendung zu bevorzugen.
Je nach Verwendung wird es gewaschen, mit heißem oder kaltem Wasser aufgegossen oder gedünstet.
Beachtet ansonsten meine allgemein zusammengestellten Sammeltipps.
Im Frühjahr kann man bereits die jungen Triebe ernten, um sie in der Gemüseküche zu verarbeiten.
Das gesamtes oberirdisches Kraut wird während der Blütezeit von Mai bis Oktober gesammelt.
Beachtet ansonsten meine allgemein zusammengestellten Sammeltipps.
Im Wald können wir noch auf das Harzer Labkraut treffen. Abgesehen von seiner Größe, könnte man ihn mit dem Wiesen-Labkraut verwechseln. Es wächst aber relativ bodennah in lichten Kiefer- oder Fichtenwäldern. Früher dachte man, Ziegen gäben mehr Milch, wenn sie das Harzer Labkraut zu Fressen bekämen.
Käseherstellung
Wie man am deutschen und auch am botanische Namen (Galium = Milch - griech. "gala") ablesen kann, bezieht dieser sich auf die Möglichkeit mit dem "Lab" Käse
herzustellen. Statt mit tierischem Lab, wird so das Labkraut zur Gerinnung der Milch eingesetzt. Bei all diesen drei Labkräutern ist dies theoretisch möglich und soll bereits bei den
Prähistorischen Menschen bekannt gewesen sein. In England war wohl die Herstellung und das gleichzeitige Färben mit dem echten Labkraut noch bis ins 18. Jahrhundert üblich. Das Einfärben
zumindest wurde mittlerweile durch Annatto ersetzt.
Auch in Griechenland war die Käseherstellung mit den Labkräutern gebräuchlich. Dortzulande flocht man Siebe aus den Labkräutern, um es gleichzeitig auch als Hilfsmittel zu nutzen.
Färben
Bereits unsere keltischen Vorfahren nutzten das echte Labkraut zum Färben. Die Wurzeln färben sowohl tierische als auch pflanzliche Stoffe
rot. Wobei die Anwendung bei tierischen Stoffen wie Schaf- oder Ziegenwolle besser wird. Um das vorangegangene Thema der Käseherstellung mit diesem zu verknüpfen, so erhielt auch
der englische Chester-Käse während der Käseherstellung durch das echte Labkraut seine typische Färbung. Heute wurde dieser durch Annatto ersetzt. Das Färben jedoch soll noch heute in Schottland,
besonders auf den Hybriden mit dem echten Labkraut durchgeführt werden.
Mehr zum Thema Färben
Küche & Hausapotheke
Echtes Labkraut
Das echte Labkraut zählt seit der Antike zu den geburtsbegleitenden Pflanzen der Frau. Es diente zusammen mit anderen Kräutern zur Beruhigung und Entkrampfung.
Neben Inhaltsstoffen wie ätherischem Öl, Flavonoiden, Gerbstoffen, Iridoidglykosiden und organische Säuren, ist besonders die Kieselsäure hervorzuheben.
Die enthaltenden Wirkstoffe haben beruhigende, blutreinigende, bindegewebsstärkende, entgiftende, entkrampfende, harntreibende und entzündungshemmende Eigenschaften.
Verwendung in der Hausapotheke: Tee, bei Magen- und Darmkrämpfen, Nierenleiden, Absud und Bad bei Hauterkrankungen und Wunden; Tee-Eiswürfel bei Sonnenbrand; Kissen mit getrocknetem Labkraut für besseren Schlaf
Kulinarisch: als Getränke-Flavour, in Wildkräutersalaten
Kosmetisch: DIY-Deodorant
Dekorativ: in Blumenarrangements ein schöner Farbtupfer
Kletten-Labkraut
Hildegard von Bingen schätzte die Pflanze im Mittelalter bei Nierensteinen, es galt früher außerdem als "Abnehmkraut". Aus den getrockneten Früchten kann man einen Kaffee-Ersatz herstellen.
In der Wildkräuterküche, der Homöopathie, aber auch in der Käseherstellung fand und findet das Kletten-Labkraut Verwendung
Es enthält Cumarine, Polyphenolsäuren, Alkane, Flavonoide, Gerbstoffe, Zitronensäure, Glykoside, die appetitanregend, entzündungshemmend, schweißtreibend, harntreibend, wundheilend, blutreinigend und blutdrucksenkend wirken.
Das Kletten-Labkraut findet äußerlich Anwendung als Aufguss bei Schuppen, Wunden und Verbrennungen. innerlich wird es als Tee oder Saft bei Blasen- und Nierenerkrankungen, Mandelentzündungen oder geschwollenen Lymphdrüsen zubereitet.
Kulinarisch: gedünstet (wegen der Widerhaken) in der Wildkräuterküche
Kosmetisch: Salbe oder Tinktur bei Akne oder Hautirritationen
Dekorativ: es eignet sich hervorragend zum Kränze binden
Wiesen-Labkraut
Es ist nachgewiesen harntreibend, antioxidativ, antimikrobiell und entzündungshemmend.
Kulinarisch: als Gemüsebeilage, im Salat, als Pesto, in Suppen (März/April)
Heilend: Bei Nachwehen, bei Kinder-Hautkrankheiten als Tee, Tinktur, Saft
Dekorativ: Als Begleiter in Blumensträußen, duftet traumhaft nach Sommer
Zur Kultivierung im eigenen Garten eigenen sich theoretisch alle drei Kräuter, wohingegen das Kletten-Labkraut eine Ecke mit ausreichend Platz und keinen Nachbarpflanzen, die es umklammern kann, bekommen sollte. Eindämmen kann man es auch gut mit einer Rankhilfe. Es bevorzugt einen feuchten und sonnigen Platz auf nährstoffreichem Boden. Zeitpunkt der Aussaat: Herbst
Echtes Labkraut
Das echte Labkraut wurde bereits in der Antike den Frauen bei der Geburt beigelegt. Auch im Mittelalter waren solche Rituale selbstverständlich, um die werdende Mutter vor bösem Zauber &
Geistern zu beschützen. Auch hier deutet der Volksname noch darauf hin (Liebfrauenbettstroh). Weitere Pflanzen, die ebenfalls eine solche Rolle spielten, waren unter anderem der Gundermann, Johanniskraut, Quendel, Kamille und Waldmeister. Sie wurden getrocknet in die Matratzen gestopft.
War die Pflanze früher noch der Liebesgöttin Freya geweiht, wurde diese spätestens während der Christianisierung zu einer Pflanze der heiligen Gottesmutter
Maria. Selbst das Jesuskind soll in einem solchen Bett aus echtem Labkraut und Farnen zur Welt gekommen sein. Eine Legende besagt, dass die Farne dort ihre Blüten verloren haben, da sie
die Geburt des Jesuskindes nicht anerkennen wollten. Die des Labkrauts färbten sich in Anerkennung jedoch von weiß zu gelb.
Des wohlriechenden Duftes wegen fand man bereits bei den Neandertalern und noch bei den Germanen Samen des echten Labkrautes in ihren Grabstätten. Ob nur der Duft dafür ausschlaggebend war, oder
auch hier ein Schutzzauber eine Rolle gespielt hat...?
Es soll zudem immer dort wachsen, wo besonders viel Glücksenergie vorhanden ist.
Bei drohendem Gewitter verströmt es einen besonders intensiven Geruch.
Kletten-Labkraut
Das Kletten-Labkraut war früher ein beliebter Bestandteil für Liebeszauber. So wurden zum Beispiel am Johannistag (24.06.) von jungen, ledigen Frauen Kränze aus Labkraut geflochten.
Sie liefen damit dann dreimal ums Haus, und sagten folgenden Spruch auf: "Klebkraut ich winde dich, Feinsliebchen finde dich, heut Nacht um zwölf vor meinem Bett".
Eine weitere Legende besagt, wenn am Rücken eines Mädchens das Labkrauthängen bliebe, hat diese einen Liebhaber. Sollte sie das Kraut bemerken und zu Boden werfen, würde das Labkraut an dieser
Stelle in Form des Anfangsbuchstaben des Geliebten nachwachsen. Es gibt bestimmt noch viel mehr Geschichten, die in diese Richtung gehen.
Es soll überdies erotisierend wirken und auch zum Räuchern geeignet sein, indem es den Wunsch "festklebt".
Ein weitere Volksname ist "Hexengarn", vermutlich da es sich wie ein Schmarotzer an anderen Pflanzen anklammert und diese zu ersticken versucht.
Hinweis: Der Besuch dieser Seite ersetzt nicht die Beratung eines Arztes oder Apothekers.
Buchquellen:
"Das große Buch der Heilpflanzen", Pahlow, München, 1993
"Wickel, Salben & Tinkturen", Arnold Achmüller, Bozen, 2016